Hans von Bülow über Beethoven, Brahms, Liszt u.a.
(Beethoven) Ich habe kein Herz, keine Begeisterung mehr für dieses Finale, dessen Gemeinschädlichkeit (!) – stützte sich doch die ganze verfluchte „Neudeutsche Richtung“, der ich so lange anzugehören das Miss- und Ungeschick hatte, auf diese Musikgrenzverletzung – mir von Jahr zu Jahr einleuchtender geworden ist. (17.11.188, über das Finale der 9. Symphonie, an den Dirigenten Siegfried Ochs)
(Beethoven) In den neun Sinfonien hat uns Beethoven seine Biografie gegeben, nicht die Geschichte seiner irdischen Privatmisere, aber die Geschichte seiner Ideale. Wir sehen, wie sich aus diesen neun Sinfonien diese neun Scenen und drei Akte eines Dramas aufbauen ... Der erste Akt gipfelt in der heroischen Sinfonie; ihr Ideal: der Held. Der zweite Akt gipfelt in der Pastoralsinfonie: die Natur. Der dritte Akt gipfelt in der neunten Sinfonie: die Menschheit ... Also mit der Menschheit ist es ein schöner Traum, oder eigentlich ein wüster Traum, der seine bösen Früchte getragen. Er hat z.B. manche Worte des Wahns hervorgerufen, darunter die drei Worte des Wahns: Liberté, egalité, fraternité – ein böser Irrtum, denn mit dieser Devise ist Nichts ausgerichtet worden ... Da könnte ich Ihnen eine andere Realität nennen, die idealisiert worden ist, so wenig süß und einschmeichelnd sie klingt, so nüchtern und prosaisch sie ist. Das ist gegenüber der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit die positive Devise: Infanterie, Kavallerie und Artillerie! ... Beethoven dedizierte sein Werk, bevor er es komponierte. Aber es kam ganz anders ... Voll heiliger Entrüstung zerriss Beethoven seine Dedikation ... Wir Musikanten mit Herz und Hirn, mit Hand und Mund, wir weihen und widmen heute die heroische Sinfonie von Beethoven dem größten Geisteshelden, der seit Beethoven das Licht der Welt erblickt hat. Wir widmen sie dem Bruder Beethovens, dem Beethoven der deutschen Politik, dem Fürsten Bismarck! Fürst Bismarck – hoch! (28.3.1892, Rede an das Berliner Publikum nach einem Konzert mit Beethovens „Eroica“, Nach dem ausdrücklichen Bezug auf den Artikel 29 der Verfassung, die den Bürgern freie Meinungsäußerung zusichert)
(Brahms) [Nach einer Meinungsverschiedenheit:] Wie erschrak ich beim Wiedersehen u. als ich endlich erfuhr wie Brahms meinen Brief aufgefasst hatte. Ich war ganz ergriffen, ihn so erschüttert zu sehen, als ob er das Schrecklichste erlebt, in den tiefsten Abgrund einer selbstsüchtigen Menschenseele geblickt hätte. „Er habe es einmal mit Wagner erlebt, noch einmal könne er nicht.“ (1885, JB an Herzog Georg II. von Sachsen-Meinigen)
(Brahms) Du bist meines Geistes Erheller gewesen. Dir verdankt die Musikwelt alles Löbliche, was meine letzten besten Lebensjahre ihr zu bieten vermögen! (7.12.1889, an Brahms)
(Brahms) Große Ehre und Freude in Baden noch an Brahms erlebt, der reizend zutunlichst zu mir gewesen und mir die zehnte Sinfonie [= Brahms 1., die Bülow als Beethovens 10. bezeichnete] aus dem Revisionsabzuge vorgespielt. Ja, ja, ja. (Spätsommer, an Jessie Laussot)
(Brahms) Ich war in Meiningen, um vor allem mein neues Klavierkonzert in Ruhe und ohne die unbehagliche Aussicht auf ein Konzert spielen und probieren zu können. Das kann ich sonst nirgendwo haben. ... Warum denn hier und bei Bülow, der freilich ein sehr eigengearteter, ein sehr streitlustiger, aber doch ein geistreicher, ernster und tüchtiger Mann ist? Du musst Dir auch vorstellen können, wie ganz eminent seine Leute eingeübt sind; kommt nun Unsereins dazu und musiziert mit ihnen, wie ihm um’s Herz ist, so weiß ich nicht, wo er es vortrefflicher haben kann. (Oktober 1881, JB an den Komponisten Ferdinand Hiller)
(Brahms) In der Singakademie empfing ich von Dir ein Geschenk, ein Geschenk, zu dem ich mir jeden tag gratuliere, heute aber ganz besonders. Die Ehre, die Du mir erwiesen mit dem Du-Kusse hat meinem ganzen weiteren Leben Wert und Weihe verliehen. (1882 an Brahms)
(Brahms) Jeden Tag war er in der Probe, spielte und dirigierte, dreimal dem Herzog vormusizierend ... Er schien sich zu gefallen, sprach sich – mit abwechselnd scharfen Sarkasmen – häufig nicht bloß lobend, sogar entzückt aus ... ich halte ihn an Genie wie an „Herz“ Richard Wagner ebenbürtig. (27.10.1881 an den Berliner Konzertagenten Hermann Wolff)
(Brahms) Nur einer hat es verstanden, hier einen satten Wohlklang, dort erschütternde instrumentale Akzente in das Brahms’sche Orchester hineinzubannen: Hans von Bülow. Wenn jemals, so ist hier vor den Mitlebenden „das Wunderbare“ geschehen. Nicht das geringste wurde zu den in den Partituren gegebenen Vorzeichen hinzugefügt, nicht das Kleinste davon weggenommen oder daran abgeändert: und doch wogte, wenn Bülow am Pulte stand, ein solcher Strom blühenden Lebens durch die Brahms’schen Sinfonien, dass sie mit einem Schlage der Sphäre Mozarts um ein Unendliches näher gerückt schienen. (1.5.1897, der Kunstschriftsteller Paul Marsop in „Die Gegenwart)
(Brahms) Was ich von Brahms halte – weißt Du: nach Bach und Beethoven der Größte, der Erhabendste unter allen Tondichtern. Seine Freundschaft halte ich nach Deiner Liebe für mein wertvollstes Gut. Sie bezeichnet eine Epoche in meinem Leben, sie ist eine moralische Eroberung. (Mai 1882, an MS)
(Brahms) Wenn der Messias da ist, bedarf es des Täufers nicht mehr! (Anfang 1882 nachdem er vom Publikum hervorgerufen wurde, nachdem Brahms selbst dirigiert hatte)
(Liszt) [nach einer Aufführung von Griegs Klavierkonzert:] Soviel Maßlosigkeit des Ausdrucks und Unklarheit der Darstellung. Welche Gewaltsamkeit der Tonsprache, Übertriebenheit der Empfindung, insbesondere durch die gellenden hohen Trompeten und Hörner, die plumpe Kraft der Tuba, die zischend dreinfahrenden Schläge der Becken, welch krasse Dissonanzen in der Harmonie. Nach der Wiedergabe, eine meisterliche Leistung des Orchesters und des Dirigenten, klatschte Herr von Bülow dem anwesenden Komponisten lebhaft zu, und leitete damit das Urteil des Publikums. Herr von Bülow liebt diese Art, Stimmung zu machen. (1.2.1890, Vossische Zeitung)
(Liszt) Die Werk und selbst der Name des von mir durch Jahrzehnte abgöttisch verehrten ‚Großmeisters’ sind mir heute Gegenstand beinahe ebenso uneingeschränkten wie unüberwindlichen Abscheus geworden. (30.7.1888, an den Komponisten den Komponisten und Pianisten Hans Bronsart von Schellendorff)
(Liszt) Ich habe nicht mehr die Jugend dazu und muss mich künstlich begeistern. Ach, wann werde ich mir die Freiheit erkämpft haben. (15.1.1881, an den Verleger Eugen Spitzweg)
(Liszt) Mein Schwiegervater ist mir äußerlich zu viel, innerlich zu wenig Abbé. (23.6.1869, an den Komponisten und Musikschriftsteller Richard Pohl)
(Liszts Töchter) Mich geniert ihre offenbare Superiorität, und die Unmöglichkeit, ihnen genügend interessant zu erscheinen, verhindert mich, die Annehmlichkeit ihres Umgangs so zu würdigen, wie ich es möchte. (13.6.1856, über Liszts Töchter, an Jessie Laussot)
(Nietzsche) Ihre Manfred Meditation ist das Extremste von fantastischer Extravaganz, das Unerquicklichste und Antimusikalischste, was mir seit langem von Aufzeichnungen auf Notenpapier zu Gesicht gekommen ist … Ihre Meditation hat vom musikalischen Standpunkt aus nur den Wert eines Verbrechens. (24.7.1872 an Friedrich Nietzsche {BrV552}, Nietzsche entschuldigt sich darauf für die „musikalische und menschliche Qual, die er dem verehrten Dirigenten bereitet habe.)
(Sarasate) Im nächstfolgenden fünften Konzerte, 3. November – das der Feier des dreißigjährigen Todestags Felix Mendelssohns geweiht und mit der Lobgesang-Symphonie, der Ouvertüre und einer Arie aus Paulus ausgestattet war – beendete Senor Pablo de Sarasate sein nur allzu kurzes Gastspiel. Leider spielte er diesmal nicht das Mendelssohnsche Violinkonzert, da er’s vierzehn Tage früher im selben Raume zu Gehör gebracht, sondern unter des Komponisten Leitung das zweite ihm gewidmete Violinkonzert von Herrn Max Bruch, mit dessen erstem Concerte er am 13. Oktober hier debütiert hatte. Der sachlichen Wahrheit die Ehre zu geben, konstatiere ich zunächst den enthusiastischen Applaus, mit dem der Spanier überschüttet wurde, und die Mitteilnahme des Rheinländers an seinen häufigen Hervorrufen. Nunmehr lassen Sie mich aber auch bekennen, dass ich das welk geborene neue Opus des Lieblingsschülers des Herrn Dr. Hiller in keiner Weise der Einrahmung durch die unverwelklichen Schönheiten der Mendelssohnschen Muse würdig befinden konnte. Plumpe Instrumentation, schlottrige Form, äußerste Dürftigkeit und Frostigkeit der Grundgedanken – guter Geigensatz dagegen und geschickte Mache. (4.11.1877, Signale für die musikalische Welt)
(Verdi) Illustrer Maestro, ich bewundre, ich liebe Sie! (1892, an Verdi)
C = Cosima
W = Richard Wagner
FB = Franziska von Bülow, Bülows Mutter
MS = Marie Schanzer, Schauspielerin, zweite Ehefrau |