Hans von Bülow und Richard Wagner
Alle haben kein produzierendes Talent, sie bringen nichts aus der Tiefe des Herzens ans Licht. Deswegen sagen sie zu Wagner so unbedingt blindlings Ja. (6.9.1865, Peter Cornelius an Berta Jung, Cornelius vermutete, dass Cosimas und Bülows Abhängigkeit von Wagner mit deren künstlerischer „Impotenz“ zusammenhing)
Bülows Leben ist mit dem Namen Wagners so eng verwebt, dass ihm nach seinen eigenen mühsam hervorgebrachten Worten ist, als sei sein Geist mit diesem Feuergeist nun auch gestorben, nur ein Fragment seines Körpers wandere noch umher. (Februar 1883, MS an ihre Mutter nach der Nachricht von Wagners Tod)
Es wurde mir klar, dass ich ein Geisteigner dieses Mannes sein könnte, sein Schüler, sein Apostel zu werden vermöchte, und mit einem solchen Streben, einem solchen Ziele schien mir das Leben lebenswert. (26.1.1851, an die Schwester Marie Isidore von Bülow)
Ich will soviel Geld zusammenbringen und zwar mit Beethoven, dass Wagner auch zu Lebzeiten, wie seinem Mitriesen Bismarck ein anständiges Denkmal errichtet werden kann. (6.4.1879, an MS im Zusammenhang mit Benefizkonzerten für die Bayreuther Festspiele)
Ich bin eigentlich nur ein lästiger Anhang: Bayreuther Götzendienst überall in vorderster Linie: Wolzogen, Stein (neulich in Berlin gestorben und fortwährend betrauert) – Levi, Richter, Mottl – ja selbst Seidl – – sind Alles viel wichtigere Personnagen als der Abtrünnige, der Verehrer des „Erzfeindes“ (!!!) Brahms, der sogenannte Vater, dessen verfl. Schuldigkeit es doch eigentlich zu sein hätte, – – die Kniee stets in Andacht zu beugen vor dem – Stifter der neuen Religion – denn als solcher wird der geniale Tondichter eigentlich betrachtet. In jedem Gespräche klingt dieser Grundton durch – kein Thema, das nicht, indirekt wenigstens, aber für meine zwischenzeilenlesengeübte Nervosität darauf hinwiese. Welche Seelenmarter! (1.7.1887, an MS)
Wagner bedarf meiner persönlich und sachlich. (Januar 1865)
(Bayreuth) Bei meiner Tochter steckt der einseitige Fanatismus unwankelhaft tief: vom ‘Bären’ [= Brahms] will sie nichts wissen, scheint auch kein Jota davon verstehen zu können. – Jahre werden über der Abklärung bei meiner Tochter vergehen: ich werde sie nicht mehr erleben. Überall nur – gewaffneter Friede! (28.6.1887, an MS)
(Bayreuth) Sie [= Bülows und Cosimas Tochter Daniela] verdient Dich nicht [= Fritz Brandt, technischer Direktor der Festspiele] – gerade so wenig, als ihre Schwester des sizilianischen Tagediebs des Grafen Zero bei ihrer herz- u. kopflosen Frivolität vollkommen würdig ist ... Welche Wirtschaft! Ganz das großväterliche System! ... Wie mich diese hochadelige hohle Gesellschaft anwidert! Sie erweckt in mir alle 48er Gefühle – bevor Du nämlich geboren, war ich schon Sozialdemokrat. ... Sie weiß es, wie lieb ich Dich persönlich gewonnen und straft mich nun in Dir dafür, dass ich von den Parsifal-Hebräern und den literarischen Vegetarianern nichts wissen will. Sehr leicht möglich. ... Fritz – wenn es Dir irgend möglich, tritt zurück! Du begäbst Dich in eine nach beiden Zweigen verfluchte Familie. Meine Ureltern taugten nicht viel – die Immoralität und Genialität der Ahnen von D.’s Mutter hat mehr als Ein Bedenkliches. ... Ich bin selbst trostlos ... Ich habe keine Tochter mehr. Wahnwitz – oder – Verruchtheit! ... Du warst die letzte, die einzige Verbindungsbrücke zwischen Bayreuth und mir. Jetzt ist – Alles aus. (3. und 11.8.1884, an den vorübergehend mit Daniela verlobten Fritz Brandt)
(Musik) [Tristan:] das war schön wie der schönste Traum, und im Grunde kann man die vier Vorstellungen nur begreifen als ein Traumgedicht. Es war zu außerordentlich, zu ideal, zu vollkommen. Es brauchte ein Opfer, eine Vergeltung. (1865, nach dem Tod des Uraufführungssängers Schnorr von Carolsfeld, an die Freunde Joachim Raff und Eduard Lassen)
(Musik) Du hast keine Ahnung davon, wie viel ich übrigens hier in Sachen Wagner’s zu tun habe oder wenigstens zu versuchen habe. Eben habe ich eine Kopie der Meistersinger zu Stande gebracht – 145 Quartseiten; habe fünf Tage zu acht Schreibestunden daran in grässlicher Hitze die Finger gesteift. ... Ich wünschte, es wäre Schlafenszeit und alles wäre vorbei. Ich habe alles Selbstgefühl verloren und damit alle Lebenslust. Was fängt man mit einer ohnmächtigen Pietät an? ... Gäbe es eine recht komfortable Art, dem Leben Adieu zu sagen, ich hätte nicht so lange damit gezögert. … Du weißt eben nicht, was alles um mich und in mir vorgegangen ist. Ich habe mich selbst, meine eigene Individualität durch stete Hingabe an so und so viele Personen verloren – ‘der redliche Finder wird gebeten’ u.s.w. – jetzt bin ich weder mir noch Anderen was nütze. ... Wagner zum Nachbar – da schrumpft alles Andere so miserabel ein, wird so kindisch, null und nichtig. [Über die Korrekturbögen eigener Lieder:] Das Zeug kommt mir so erbärmlich, so lumpig vor, dass ich’s gar nicht ansehen mag. (31.7.1862, an den Komponisten und Musikschriftsteller Richard Pohl)
(Musik) Er ist so einsam und verlassen, dass ihm selbst die bloße Gegenwart einiger unbedingter Anhänger, wie Peter Cornelius’ und meiner, von Werth sein muss. Meine Pflichten für die Zukunft sind klar vorgezeichnet: exclusive Konzentration auf die Wagner’sche Aufgabe. (8.1.1865, an den Pianisten und Komponisten Adolf Jensen)
(Musik) Meine produktive Kraft oder Laune ist noch gänzlich davon gebrochen. Das ist so fabelhaft himmelhoch, dass alles andere pygmäenhaft dagegen erscheint. (über „Tristan und Isolde“, 26.6.1860)
(Musik) Solche Musik hat niemand von Wagner erwartet. Das knüpft direkt an den letzten Beethoven an. (...) Von dieser Architektonik, dieser musikalischen Detailarbeit können Sie sich keinen zu hohen Begriff machen. An Erfindung ist „Tristan“ Wagners potentestes Wer. (...) Wen diese Oper nicht bekehrt, der hat keine Musik im Leibe. (1859 an den Musikkritiker Franz Brendel)
(Musik) Wenn Sie später Partitur und Klavierauszug des Tristan zu Gesicht bekommen, so werden Sie begreifen, dass mir unter dem Schatten dieser Partitur und ihrer noch gar nicht dagewesenen Polyphonien so doppelt heiß hat werden müssen, als etwa in den Mittagsstunden der schwülsten Hundstage auf dem Exerzierplatz vor dem Brandenburger Tor. (18?? an den Pianisten Louis Köhler)
(Opferung) Und keinen Augenblick würde ich zögern, die mir soeben angetraute Gattin hinzugeben, wenn es sich darum handelte, Meister Richard zu inspirieren. (1857, anlässlich des Unbehagens von Eliza Wille über die Wesendonck- Affäre, Bülow ist zu diesem Zeitpunkt frisch mit Cosima verheiratet.)
C = Cosima
W = Richard Wagner
FB = Franziska von Bülow, Bülows Mutter
MS = Marie Schanzer, Schauspielerin, zweite Ehefrau |