Minna Planer (Ehefrau No. 1) über die Revolution von 1848/49
(Bilanz) Dass es so weit kommen würde, und er einstens bei der Vorbereitung seiner Opern seine Verbannung hart empfinden würde, habe ich vorausgesehen, niemand als ich fühlt sie aber mehr! (...) o könnte ich alles ungeschehen machen!! (August 1850, an W's Nichte Johanna zu ›Lohengrin‹ in Weimar in Wagners Abwesenheit)
(Bilanz) Er muss nun Alles tragen. Ich sah es ja damals, wie alles kommen würde. O die alberne Politik. (1850, an Caroline Uhlig)
(Bilanz) Ich will Dir Deinen Mut nicht rauben, aber ich habe den Glauben bei den schönen Verheißungen verloren, es gibt für mich kein Glück mehr auf Erden! [Rechtfertigt ihr Verhalten während des Aufstands] weil ich sah, welch verderblichen Einfluss die [Bakunin und Röckel] auf Dich, selbst auf Deine Gesundheit ausübten, das war mir verzeihlich, denn nur um Deinetwillen setzte ich mich den heftigen Auftritten mit aus ... Nur Deiner Kunst, die ich verehre, vergöttre, wollte ich Dich erhalten (...) den Genius, der in Dir wohnte, den solltest Du walten lassen, nicht gewaltsam und feindlich solltest Du Dir entgegentreten (1849, an W, nach dem Maiaufstand)
(Bilanz) M [sieht sich bestätigt, dass W] aus dem revolutionären Treiben kein Heil erblühen werde. [Er soll] mit den unruhigen Revolutionsköpfen [nicht mehr in Verbindung gebracht werden.] Mit Deutschen, oder besser, mit Flüchtlingen, die hier zum Teil sind, kommen wir gar nicht zusammen, was mir W. wegen sehr lieb ist. (...) Die guten Dresdner, denen ich für meinen Teil durchaus nicht grolle, werden manches noch von Richard zu reden haben, vielleicht auch von mir, ich bitte Sie, mir es ohne Hehl zu schreiben, was man spricht, es interessiert mich doch sehr. (18.9.1849, an MS, aus Zürich)
(Erziehung) [W] nämlich meinte, man müsse die Kinder gar nicht erziehen, ganz revolutionär, wie's liebe Vieh aufwachsen lassen und ihnen statt Gott die Bäume anbeten lassen. Das wäre vielleicht recht gut, wenn eben Kinder mit dem Verstande eines Erwachsenen auf die Welt kommen würden (an CC)
(Exil) [Die Schweiz] ist jetzt, der Insurgenten wegen, die sich dort zu tausenden hingezogen, sehr verrufen, und es heißt, dass die müßigen unruhigen Revolutionsköpfe dort ihr Unwesen noch forttreiben würden. Nun weiß ich wohl, dass Du kein Revolutionär bist, Du hast es mir geschrieben, ich könnte auch keinem als Frau angehören, aber es ist doch so, dass man alles Schlimme von Dir erwartet: Darum gönne ich den Leuten gar nicht den Triumph und sage ihnen, Du seiest noch bei Paris und würdest im Oktober/November einen Auftrag bekommen, eine Oper zu komponieren, in dem Dresdner Journal hat es sogar schon gedruckt gestanden, wollte Gott es wäre so – die große Oper ist jetzt, wie ich gelesen, gänzlich geschlossen, das sind schlimme Aussichten. (3.8./ 11.8.1849, an W vor ihrer Ankunft in Zürich)
(Gnadengesuch) Ermutigt durch Allerhöchstdesselben allbekannten Hochsinn und Milde komme ich aus weiter Ferne, um demutsvoll Euer Majestät Gnade und Vergebung für einen Verbannten zu erflehen, dessen Schöpfungen sich früher der Huld Euer Majestät zu erfreuen hatten. Die Frau des Verbannten Richard Wagner wagt Euer Majestät fussfällig zu bitten, als Beschützer der Kunst und Wissenschaft einen verirrten Künstler Gnade zu verleihen zu wollen, der gehemmt in seinem Streben, durch die Unmöglichkeit, seine neuen Kompositionen zu hören, tief niedergebeugt ist. Möchten Euer Majestät meinen Mann, den Verführten Richard Wagner, Gnade und Vergebung schenken und vergönnen, den Aufführungen seiner Werke selbst beiwohnen zu können, um sein ferneres Schaffen durch die Gnade und Großmut Euer Majestät zu fördern. Es bleibt mir noch, Euer Majestät untertänigst um Vergebung zu bitten, dass eine schwer geprüfte Frau es wagt die Großmut Euer Majestät anzuflehen, für einen Schuldigen, Verirrten, der in Hemmung seiner Kunst schwer büßt. An den huldvollsten, großmütigsten König wendet sich gläubig und vertrauend Euer Majestät alleruntertänigste tief gebeugte Dienerin Minna Wagner. (1854, eigenmächtiges Gnadengesuch an König Johann von Sachsen)
(Kritik) Als Du mir jenen Aufsatz vorlesen wolltest, worin Du ganze Geschlechter schmähtest, die Dir doch im Grunde Liebes getan, seit jener Zeit grolltest Du mir und straftest mich damit so hart, dass Du mir nie etwas von Deinen Arbeiten mehr zu hören gabst. (2.8.1850, in Bezug auf W's revolutionäre Rede 1848 gegen die Macht des Geldes)
(Kritik) Ich begreife Dich in der Tat nicht, ich habe es Dir wahrlich bewiesen, aber was hab ich für einen Beweis von Liebe von Dir? Du hättest mir müssen mit gutem Beispiel vorangehen, das hast Du aber nicht, sonst hättest Du meine Bitten erhört und mir auch einmal ein Opfer gebracht, doch es ist vorbei, und dies soll kein Vorwurf sein, doch wirst Du mir zugestehen, dass Du ein großes Unrecht gegen mich, am Ende auch gegen Dich selbst begangen hast, indem Du ein sorgenfreies Leben mit einem höchst unsichern aufs Spiel setztest. Ich wünsche, dass Du es nie bereuen mögest. (18.7.1849, an W)
(Kritik) Ich sah mit unsäglichem Schmerz wie Du von der Bahn der Kunst, von Deutschland, dem ich Dich so gern erhalten wollte, losrissest. (...) Mir war immer das schmerzliche Gefühl, als rissest Du Dich auch von mir los (an Wagner)
(Röckel) [Ein] Bösewicht, der so viele unglücklich gemacht hat (...) Ich wenigsten kann nicht glauben, dass sich Frauenzimmer mit Politik, ein mir verhasstes Feld für Männer, geschweige denn für Frauen, befassen. Ach Gott, ich bin doch froh, dass das bei Richard ein gänzlich überwundener Standpunkt ist, was für furchtbare Debatten setzte es damals zwischen uns, diese verdammte Politik hätte mich ja beinahe ganz auseinander mit dem meinem Knübeltopf von Mann gebracht. Wäre damals der abscheuliche Röckel nicht gewesen, so hätte sich Richard gar nicht mit erst eingelassen ... Ich ärgere mich noch, dass ich ihn damals auf meiner Reise nach Weimar, wo seine arme Frau mit all den Kindern lebt, um ihretwillen in Waldheim besucht, mit welcher Kälte der Mensch von den unglücklichen Seinigen sprach, es empört mich noch (13.1.1858, an MS)
(Röckel) Herz und Knie haben ihr vor Mitleid und innerer Bewegung gezittert, als sie seinen Schritt gehört, und sie hätte sich lieber gewünscht, ihn an einem anderen Ort und nicht in diesem Schreckenshaus wiederzusehen und unwillkürlich sind ihr bei seinem Anblick Tränen über die Wangen geflossen (1854, Tochter Natalie über Minna die Röckel im Gefängnis besucht)
CC = Cäcilie, Wagners Lieblingsschwester, mit dem Buchhändler Eduard Avenarius verheiratet, der die Pariser Niederlassung von Brockhaus leitete.
EH = Emma Herwegh, Freiheitskämpferin und Salonistin, Frau von Georg Herwegh
JS = Jakob Sulzer, Staatsschreiber in Zürich, mit Wagner seit 1849 eng befreundet.
MS = Mathilde Schiffer, Freundin Minna Planers in Dresden |