August Röckel
|
|
|
|
|
August Röckel |
Dirigent, Komponist, Politiker, Publizist
* 1. Dezember 1814 Graz / † 18. Juni 1876, Pest
Als Kind begleitete Röckel seinen Vater, den Sänger, Chordirektor und Theaterunternehmer Josef Röckel, auf seinen Reisen durch ganz Europa. 1830 erlebte Röckel während eines Aufenthaltes in Paris die Julirevolution, er begeisterte er sich für die Ideale ihrer Führer Lafayette, Laffitte und Marrast, mit denen er persönliche Bekanntschaft knüpfte. In England, wohin er seinem Vater 1832 folgte, spielte sich vor seinen Augen das Schauspiel einer Reformbewegung ab, das er intensiv studierte, er lernte das freie Staatsbürgertum kennen. Röckel kehrte nach Deutschland zurück und wurde in Weimar von seinem Onkel, dem Komponisten Johann Nepomuk Hummel, als Musiker ausgebildet.
1843 ging Röckel als Königlich Sächsischer Musikdirektor nach Dresden und wurde damit Vorgesetzter Richard Wagners, der dort als einer von zwei Kapellmeistern am Königlichen Theater beschäftigt war. Tief beeindruckt von den Bühnenwerken Wagners verzichtete Röckel auf die Aufführung seiner eigenen Oper „Farinelli“. Mit Wagner entstand eine enge Freundschaft. Röckel hatte auf die politische Entwicklung Wagners entscheidenden Einfluss und wird als „Wagners Lehrmeister in Demokratie“ bezeichnet.
Neben seiner Tätigkeit als Musikdirektor in Dresden wandte sich Röckel zunehmend der Politik zu. Im Herbst 1848 wurde Röckel in den Sächsischen Landtag gewählt und schloss sich der republikanischen Volkspartei an. Als alleiniger Herausgeber der Dresdner „Volksblätter“ kämpfte Röckel für Versammlungs- und Pressefreiheit, eine Reform des Wahlrechts und letztlich für die nationalstaatliche Einigung Deutschlands. Röckel votierte im April 1849 mit der Mehrheit im Landtag für die Annahme der Paulskirchenverfassung, was von der königstreuen Regierung abgelehnt wurde. Als daraufhin der Landtag zwangsweise aufgelöst und damit die Immunität der Abgeordneten aufgehoben wurde, floh Röckel über die Sächsische-Österreichische Grenze nach Prag. Die Herausgabe der „Volksblätter“ überließ er für kurze Zeit Richard Wagner, der hier seinen Vortrag „Die Revolution“ veröffentlichte. Am 3. Mai begann in Dresden der Aufstand. Um die Mittagszeit versammelten sich die Kommunalgarden, die sich aus Angehörigen des Dresdener Bürgertums zusammensetzten, auf dem Altmarkt, um für eine neue Verfassung zu demonstrieren. Schließlich stürmte eine aufgebrachte Menschenmenge das Zeughaus, um sich zu bewaffnen.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Volksblätter von 1849 |
|
Frankfurt Paulskirche |
|
Kämpfe am Zeughausplatz um 1849 |
Da der größte Teil der sächsischen Armee sich außerhalb der Landesgrenzen befand, konnten die Revolutionäre nach einem kurzen Gefecht die verbliebenen sächsischen Truppen in die Flucht schlagen. Dem Sächsischen König gelang es am 4. Mai mit einem Dampfschiff auf der Elbe in die Festung Königstein zu entkommen. Die ehemaligen Parlamentarier bildeten eine provisorische Regierung, setzten die Reichsverfassung in Kraft und riefen bewaffnete Freiwillige zur Hilfe. An diesem Tag kehrte Röckel in Begleitung des russischen Anarchisten Michael Bakunin aus Prag zurück und beteiligte sich an der Verteidigung Dresdens. Als der Aufstand mit der Unterstützung preußischer Truppen blutig niedergeschlagen und große Teile der Altstadt zerstört wurden, floh Röckel am 9. Mai 1849 in Begleitung weiterer Revolutionäre, darunter Bakunin, Gottfried Semper und Wagner, nach Freiberg im Erzgebirge. Dort trennten sich ihre Wege.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
August Röckel |
|
Michael Bakunin |
|
Gottfried Semper |
|
Richard Wagner |
Am 10. Mai 1849 wurden Röckel und Bakunin in Chemnitz verhaftet, von wo aus sie den bewaffneten Aufstand weiterführen wollten, während Wagner, der nun auch steckbrieflich gesucht wurde, die Flucht in die Schweiz gelang. Röckel wurde gemeinsam mit Bakunin zum Tode verurteilt. Wagner schickte aus Frankreich einen Brief in die Todeszelle und versuchte Trost zu spenden: „Mein Michael, mein August! liebe, theure, unvergeßliche brüder! Ihr lebet fort! In weiteren und immer weiteren fluthenkreisen schwillt Euer Andenken zu einer beglückenden liebenerinnerung der zukünftigen menschheit an! So sterbet denn wohl, beneidet, bewundert und - geliebt!“. Schließlich wurde Röckels Strafe in lebenslange Haft umgewandelt, Bakunin wurde erst nach Österreich und vor dort nach Russland abgeschoben, von wo ihm 1861 über Japan die Flucht nach Amerika gelang.
|
|
|
|
|
|
|
|
Zuchthaus Waldheim Hof |
|
Sachsens Erhebung
|
|
Röckel erhielt während seiner Inhaftierung im Zuchthaus Waldheim über die Jahre zahlreiche Briefe Wagners, in denen dieser auch detailliert von der Entstehung des „Ring des Nibelungen“ berichtete, etwa in einem berühmten Brief vom 25. Januar 1854. Er kritisierte darin die allgemeinen sozialen Zustände und die Ohnmacht des Einzelnen: „Wir müssen sterben lernen, und zwar sterben, im vollständigsten Sinne des Wortes. Die Furcht vor dem Ende ist der Quell aller Lieblosigkeit, und sie erzeugt sich nur da, wo selbst bereits die Liebe erbleicht. (...) Wodan schwingt sich bis zu der tragischen Höhe, seinen Untergang – zu wollen. Dies ist alles, was wir aus der Geschichte der Menschheit zu lernen haben: das Notwendige zu wollen und selbst zu vollbringen.(...) Wie vieles, bei dem ganzen Wesen meiner dichterischen Absicht, erst durch die Musik deutlich wird, das habe ich nun wieder ersehen. Ich kann jetzt das musiklose Gedicht gar nicht mehr ansehen. Mit der Zeit denke ich Dir auch die Komposition mitteilen zu können. Für jetzt nur so viel, daß sie zu einer fest verschlungenen Einheit geworden ist: Das Orchester bringt fast keinen Takt, der nicht aus vorangehenden Motiven entwickelt ist.“ Röckel blieb 13 Jahre in Haft und wurde als letzter der verurteilten Revolutionäre erst im Januar 1862 entlassen. Er schrieb 1865 „Sachsens Erhebung und das Zuchthaus zu Waldheim“ und „Aus dem Grabe eines 48er Revolutionärs“.
Zu einem Wiedersehen mit Wagner kam es im Sommer 1862 in einem Hotel in Wiesbaden-Biebrich. Trotz der langen Haftzeit konnte Wagner an Röckel keine wesentlichen Veränderungen erkennen, außer, dass dessen Haare ergraut waren. Röckel betätigte sich fortan als Journalist und Publizist. 1866 lebte er für kurze Zeit in München. Hier wollte Wagner Röckel als Herausgeber der „Süddeutschen Presse“ etablieren. Wahrscheinlich plante Wagner damit eine publizistische Begleitung seiner Opernpläne für München, wie sie Wagner schließlich in Gestalt der „Bayreuther Blätter“ zur Verfügung stand. Röckel übersiedelte jedoch wenig später nach Wien.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
August Röckel |
|
Ludwig II. |
|
Richard Wagner |
|
Cosima |
Dennoch wurde Röckel in München noch zum Mittelpunkt einer Intrige. Im Juli 1868 schrieb Ludwig II. einen Brief an Cosima und berichtet darin von „schamlosesten Verleumdungen“ gegen Wagner. Ludwig II. behauptete „aus ganz zuverlässiger Quelle“ zu wissen, „daß ein Mann, der bisher immer von Wagner als ein treuer, aufrichtiger Freund angesehen wurde“, der Urheber sei: August Röckel. Die Gerüchte, von denen Ludwig II. gehört hatte, waren das ehebrecherische Verhältnis zwischen Richard Wagner und der nit dem Dirigenten Hans von Bülow verheirateten Cosima von Bülow. Obwohl Röckel die Anschuldigung Ludwigs zurückweisen konnte, glaubte Wagner an Röckels „Untat“ und so endete mit diesem Vorfall die langjährige Freundschaft. Auf Wagners Vorwurf, er kümmere sich nur um den „herz- und seelenlosen Unsinn“ der Politik und vernachlässige Liebe und Freundschaft, antwortete Röckel in einem Brief vom 17. November 1868 aus Wien, mit dem er aus Wagners Leben abtritt
„Dir steht es zu, außer Deiner Zeit zu leben, zu fühlen, zu denken; Du wirkst doch für Deine Zeit und für alle späteren Zeiten. Wem aber nicht das Gleiche gegeben ist, wem vielmehr eine ganz konkrete Aufgabe ward, der hat sie zu erfassen und zu erfüllen, und wenn er sie vernachlässigt, weil er sich über die Gegenwart erhaben wähnt, der sinkt tief unter sie hinab, der ist keiner Beachtung wert, vielmehr des Gegenteils. (...) Wenn ich dabei persönliche Klatschgeschichten missachte, verzeih es mir – ich habe zu viel dergleichen erlebt.“ |