Wien
1832 Erster Wien-Aufenthalt
Im Hochsommer des Jahres 1832 verbrachte der 19jährige Wagner, ein unbekannter angehender Musiker, etwa vier bis sechs Wochen in Wien. Es war seine erste große, selbständige Reise. Er besuchte das Theater an der Wien, hörte eine Aufführung von Glucks "Iphigenie auf Tauris" im Kärntnertortheater und erlebte in den "Sträußelsälen" (heute der Pausenraum des Theaters in der Josefstadt) ein Konzert von Johann Strauß Vater, dessen Sohn Johann sich bald für Wagners Werke einsetzte. In seiner Biographie bezeichnet Wagner Johann Strauß als "Dämon des musikalischen Volksgeistes". Der Überlieferung zufolge wohnte er in einem Haus auf der Wieden.
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Kärntnertortheater |
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Johann Strauß |
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Sträußelsäle |
In seinen autobiographischen Skizzen schildert Wagner das musikalische Wien:
"Auf den eigentlichen Lebensnerv des Wiener Theatergeschmackes traf ich bei der Oper »Zampa«, welche damals das fast tägliche Repertoire an beiden Operntheatern, am Kärntner Tor und in der Josephstadt, erfüllte. Beide Theater wetteiferten im Feuer für diese außerordentlich beliebte Leistung: hatte das Publikum sich den Anschein gegeben in »Iphigenie« zu schwelgen, so raste es mit voller Wahrhaftigkeit in »Zampa«; und trat man aus dem Theater der Josephstadt, in welchem soeben »Zampa« alles in Ekstase versetzt hatte, in die unmittelbar daran gelegene Tabagie von Sträußlein, so brannte mir unter Strauß' fieberhaftem Vorspiel ein Potpourri aus »Zampa« entgegen, welches die gesamte Zuhörerschaft fast ersichtlich in Flammen setzte. Unvergeßlich blieb mir hierbei die für jede von ihm vorgegeigte Pièce sich gleich willig erzeugende, an Raserei grenzende Begeisterung des wunderlichen Johann Strauß. Dieser Dämon des Wiener musikalischen Volksgeistes erzitterte beim Beginn eines neuen Walzers wie eine Pythia auf dem Dreifuß, und ein wahres Wonnegewieher des wirklich mehr von seiner Musik als von den genossenen Getränken berauschten Auditoriums trieb die Begeisterung des zauberischen Vorgeigers auf eine für mich fast beängstigende Höhe."
Etwa um 1842/43 begannen sich die Wiener Musikkreise für Wagner zu interessieren. In der "Allgemeinen Wiener Musikzeitung" schrieb der junge Eduard Hanslick, Wagner sei "das größte dramatische Talent unter den lebenden Komponisten". Doch es setzte in der Presse auch eine Anti-Wagner-Kampagne ein, die sich bis Wagners Tod fortsetzen sollte. Hanslick (1825-1904) übte mit seinen Kritiken großen Einfluss auf das Wiener Musikleben aus. Er lehnte Wagner später ab, seine Artikel sind voller Gehässigkeit.
1848 Wiener Theaterreform
Im Juli des Revolutionsjahres 1848 quartierte sich Wagner zunächst im Gasthof "Zur Stadt London" am Fleischmarkt Nr. 684 ein (heute 1, Fleischmarkt 24). Bald darauf mietete er ein Zimmer in der Goldschmiedgasse Nr. 594 (heute 1, Goldschmiedgasse 4). In einem Brief an seine Frau Minna schrieb er: "Wien aber, an einem schönen, hellen Sonntage zuerst wieder von mir gesehen, hat mich – ich gestehe es! – ganz bezaubert." Wie sehr Wagner von den Ideen der Revolution ergriffen war, zeigt auch sein damals verfasstes Gedicht "Gruß aus Sachsen an die Wiener".
Wagner war mit Plänen zur Reorganisation des Wiener Theaterwesens nach Wien gekommen und arbeitete einen Entwurf aus, nach dem er fünf Theater unter seiner Leitung zu vereinigen versuchte. Diese Theater "von genau unterschiedenem Charakter" sollten mit der Vertretung "ihrer vollen künstlerischen und wissenschaftlichen Tätigkeit" ein Ganzes bilden. Wagner nützte seinen Wien-Besuch zu Theaterbesuchen (in der Leopoldstadt etwa sah er Nestroys Posse "Freiheit in Krähwinkel") und knüpfte Kontakte mit Franz Grillparzer, den er als "Theaterdichter in Beamtenuniform" bezeichnete, Eduard von Bauernfeld, Eduard Hanslick ("Wagner war ganz Politik") und lernte auch Dr. Julius Becher und Friedrich Uhl kennen, Schriftsteller die damals politisch aktiv waren. Bald jedoch musste er nach fruchtlosen Gesprächen enttäuscht nach Dresden zurückkehren.
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Eduard von Bauernfeld |
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Franz Grillparzer |
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Eduard Hanslick |
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Julius Becher |
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Friedrich Uhl |
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Thaliatheater |
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1857 Der "Tannhäuser" in Neulerchenfeld
1857 erklang auf der Bühne des Thaliatheaters, einer kleine Vorstadtbühne in Neulerchenfeld, erstmals Wagners "Tannhäuser". Das Thaliatheater wurde vorwiegend in den Sommermonaten vom Ensemble des Theaters in der Josefstadt bespielt; neben Singspiel und Volksstück pflegte man hier auch die Oper. Das Theater selbst war ein einfacher und geräumiger Holzbau, den eine Glaskuppel überdeckte. Eine Gedenktafel am Haus Wien 16, Thaliastraße 1 sowie der von ihr durchquerte Richard-Wagner-Platz erinnern an jene Zeit. Der damalige Leiter des Thaliatheaters und des Theaters in der Josefstadt war Josef Hoffmann (1802–1865), ein ehemaliger Tenor. Wagner hatte wegen des "Tannhäuser" an einer Sommerbühne zunächst künstlerische Bedenken, wirtschaftliche Gründe und die günstigen Bedingungen, welche er mit Hoffmann vereinbart hatte, dürften aber schließlich überwogen haben.
Am 28. August 1857 kam es zu jener denkwürdigen Aufführung des "Tannhäuser", mit der sich Wagner dem Wiener Publikum vorstellte, wobei man mit Sicherheit sagen kann, dass sowohl Sänger als auch Orchester überfordert waren. Dennoch kommt Hoffmanns Tat musikhistorische Bedeutung zu. Nach Beendigung der Sommerspielzeit übernahm noch im gleichen Jahr das Theater in der Josefstadt die Wagner-Oper in ihren Spielplan.
1858 wurde das umgebaute Kärntnertortheater mit "Lohengrin" eröffnet - und damit hatte Wagner auch die führende Opernbühne des damaligen Wien erobert. Obwohl Wagners Musik in Wien noch wenig bekannt war, bemächtigte sich die Parodie und Karikatur Wagners Musik. Johann Nestroy trat bereits 1857 mit einer Parodie auf den "Tannhäuser" im Carltheater an die Öffentlichkeit, wobei er selbst den Landgrafen Purzel spielte. Wagners Oper hatte sogar einen historischer Hintergrund in Wien, da der geschichtliche Tannhäuser (Tanhuser), ein mittelhochdeutscher Minnesänger, etwa 1235-1246 am Hofe Herzog Friedrichs II. in Wien lebte.
Die Wiener waren mit Wagners Werk erstmals durch Johann Strauß Sohn in Berührung gekommen, der oft Bruchstücke aus Wagners Opern zur Aufführung brachte. So hörten sie im März 1853 im Volksgarten die Einleitung zum dritten Akt "Lohengrin" und den Pilgerchor aus "Tannhäuser" und ein Jahr später im Sophiensaal das Tannhäuser-Vorspiel, wobei ein verstärktes Strauß-Orchester spielte. Bereits 1854 fand die erste Aufführung einer Wagner-Oper in Graz statt, Wien musste noch drei Jahre warten.
Der Wiener Freundeskreis
Allmählich setzte sich Wagner auch an der Oper durch. Einen großen Anteil an der zunehmenden Popularität hatten eine Reihe von Künstlern, von denen etliche später als "Wagner-Interpreten" in die Geschichte eingegangen sind, und zu wichtigen Stützen Wagners in Wien wurden.
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Marie Louise
Dustmann-Meyer |
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Prinzessin
Pauline Sandor Metternich |
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Alois Ander |
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Der Kritiker Eduard Hanslick (links) weist Wagner zurecht |
Luise Dustmann-Meyer (1831 bis 1899) war die erste Wagner-Sängerin Wiens schlechthin und eine der wichtigsten Künderinnen seiner Musik. Später war sie über die enge Beziehung, die Wagner mit ihrer Schwester, der Schauspielerin Friederike Meyer, hatte, verärgert. Alois Ander (1821–1864) war der führender Sänger der Hofoper, um den sich Wagner, als dieser in den letzten Lebensjahren mit Stimmproblemen zu kämpfen hatte und schließlich dem Wahnsinn verfiel, sehr bemühte, er besuchte ihn öfters in seinem Haus in Mödling. Heinrich Esser (1818-1872), Komponist und Dirigent, seit 1847 an der Hofoper, deren interimistischer Leiter er 1860/61 wurde. Dem Eintreten Essers ist 1858 die Aufnahme von "Lohengrin" und 1860 "Der fliegende Holländer" ins Repertoire der Hofoper zu danken. Esser war auch der Lehrer von Peter Cornelius, eines anderen getreuen Paladins Wagners und Komponist der Oper "Der Barbier von Bagdad". Fürstin Pauline Metternich-Sandor (1836-1921), die Gattin des österreichischen Botschafters am Hofe Napoleons III. in Paris, Richard Metternich, war Wagners Fürsprecherin und erwirkte durch ihren Charme und Enthusiasmus beim französischen Kaiser 1861 die Aufführung des "Tannhäuser" in Paris. Obwohl die Vorstellung im berühmten "Tannhäuser-Skandal" endete, stand Pauline Metternich weiter treu zu Wagner.
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Dr. Josef Standhartner
Leibarzt der Kaiserin Elizabeth, gehörte zu den engsten und hilfreichsten Freunden Wagners in Wien. In seiner Wohnung fand in November 1862 eine denkwürdige Vorlesung der Meistersinger Dichtung statt. |
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1861 Tristan und Isolde
Im Frühjahr 1861 traf Wagner zu seinem dritten Besuch in Wien ein und logierte im Gasthof "Erzherzog Karl" (heute 1, Kärntner Straße 31). Er lernte Dr. Josef Standhartner kennen, Leibarzt der Kaiserin Elisabeth, der bis an sein Lebensende einer seiner treuesten Freunde wurde. Wagner wohnte oft in dessen Wohnung in der Singerstraße (1, Singerstraße 30). Auch Heinrich Laube, den Direktor des Burgtheaters, suchte Wagner zu mehrmaligen Gesprächen auf. Die Wiedergabe seiner Werke durch Heinrich Esser, Alois Ander und Luise Dustmann an der Oper begeisterten ihn. Im Mai 1861 verließ Wagner Wien, kehrte jedoch im August wieder zurück. Diesmal bezog er eine äußerst kleine Wohnung in Gumpendorf Nr. 368 (heute 6, Gumpendorfer Straße 88), die ihm ein aus der Schweiz bekannter Österreicher, Adolf Kolatschek, zur Verfügung gestellt hatte. Nach kurzer Zeit übersiedelte er zur Familie Standhartner ins Stadtzentrum. Seraphine Mauro, die Nichte Standhartners ("liebe Puppe"), sorgte für den Haushalt.
Wagner hatte den Wunsch, in Wien die Aufführung von "Tristan und Isolde" vorzubereiten. Hofoperndirektor Matteo Salvi, Gesangslehrer aus Bergamo‚ machte ihm Hoffnungen. Doch es stellten sich immer neue technische und organisatorische Schwierigkeiten ein. Alois Ander, der für den Tristan vorgesehen war, verlor die Stimme. Nach 77 Klavierproben und zwei Jahren wurde das Werk für unspielbar erklärt. "Meine Lage war, wie mir nun erst deutlich wurde, gänzlich verlassen, denn ich schien von aller Welt aufgegeben." Zur Wiener Erstaufführung des "Tristan" kam es erst nach Wagners Tod am 4. Oktober 1883. In Standhartner Wohnung fand in November 1862 eine denkwürdige Vorlesung der "Meistersinger"-Dichtung statt. Unter den Gästen befand sich Eduard Hanslick, der sich in der Figur des Beckmesser porträtiert fühlte und zu einem mächtigen Gegner Wagners wurde. In einer Probe der Hofoper hörte Wagner erstmals den "Lohengrin" vollständig.1862 Liebe zur Schauspielerin Friederike Meyer, mit ihr Wien-Reise.
Um aber seine Musik dennoch in Wien vorzustellen, gab Wagner am 26. Dezember 1862, am 1. sowie am 11. Jänner (im Beisein der Kaiserin Elisabeth) 1863 drei Konzerte im Theater an der Wien. Er leitete ein aus 80 Musikern bestehendes Hofopernorchester, also Musiker, die ein paar hundert Meter entfernt gerade an seinem "Tristan" gescheitert waren, und ließ unter großem Jubel Teile aus den "Meistersingern", "Rheingold", "Walküre" und "Tannhäuser" spielen, wo bei besonders der "Walkürenritt" große Begeisterung hervorrief. Pogners Ansprache aus den "Meistersingern in Nürnberg", die Versammlung der Meistersinger und der Walkürenritt im Orchestersatz erlebten dabei ihre Uraufführung. Als Wagner auf die Bühne heraustrat, brach ein ungeheurer Beifall los, der minutenlang andauerte. Am 11. Januar wurde auch die "Faust-Ouvertüre" ins Programm mit aufgenommen. Außerdem ließ er der akustischen Wirkung wegen eine Schallwand errichten, was das Defizit noch vergrösserte, Wiener Aristokraten sammelten zur Deckung der Unkosten. Johannes Brahms war beim Konzert anwesend (er hatte auch bei den Orchesterstimmen geholfen), die Kritik war ablehnend, u.a. von Friedrich Hebbel. Doch auch neue Bekanntschaften, wie die des Grafen Coloman Nako und dessen Gattin Bertha, konnten die triste finanzielle Situation Wagners kaum erhellen. Er übersiedelte von den Standhartners in den Gasthof "Zur Kaiserin Elisabeth" (1, Weihburggasse 3) und verließ bald tief enttäuscht die Stadt.
Wien – Absage "Tristan und Isolde" und Schuldenflucht
Wagner war seit Ende August 1862 mittellos und "in der Lage eines Ertrinkenden". Im November verließ er Biebrich und reiste gemeinsam mit seiner Geliebten Friederike Meyer nach Wien, wo er am 15. November einlangte. Als Friederikes Engagement am Wiener Burgtheater scheiterte, schickte Wagner sie nach Venedig und brach den Kontakt mit ihr ab.
In Wien entstand jenes Werk, das die größte Beziehung zu dieser Stadt hat: "Die Meistersinger von Nürnberg". Der Komponist Peter Cornelius, sein getreuer Gefolgsmann, dem er zuvor die Geliebte weggenommen hatte, Seraphine Mauro, ein süßes Wiener Mädel, mit marmorbleichen Antlitz und schwarzen Locken, beschaffte Wagner aus der Wiener Hofbibliothek Jakob Grimms Schriften über den Meistergesang und wurde auch zum eifrigen Kopisten der Partituren. In der Wohnung des Leibarztes der Kaiserin Elisabeth, Dr. Standhartner, fand im November 1862 eine denkwürdige Lesung der "Meistersinger"-Dichtung statt. Unter den Gästen befand sich auch der Musikkritiker Eduard Hanslick, der sich in der Figur des Beckmesser porträtiert fühlte und zu einem mächtigen Gegner Wagners wurde. In einer Probe der Hofoper hörte Wagner erstmals vollständig den "Lohengrin". Weder für "Tristan und Isolde" noch für die im Entstehen begriffenen "Meistersinger von Nürnberg" zeichnete sich aber die Chance einer Aufführung in Wien ab. Es stellten sich immer neue technische und organisatorische Schwierigkeiten ein. Alois Ander, der für den Tristan vorgesehen war, verlor die Stimme. Unfähigkeit der Leitung, Sänger-Intrigen (die Schwester Friederike Meyers, die die Isolde singen sollte, war über die unmoralische Liaison entrüstet) , journalistische Diatriben, Disziplinlosigkeit und Unverlässlichkeit maßgebender Faktoren vereinigten sich zu einem stets sich erneuernden Angriff auf die Nerven des gemarterten Komponisten. 77 Klavierproben und zwei Jahren wurde das Werk für unspielbar erklärt. "Meine Lage war, wie mir nun erst deutlich wurde, gänzlich verlassen, denn ich schien von aller Welt aufgegeben." Wagner versuchte durch das Dirigieren von Konzerten Geld zu verdienen, was angesichts seines aufwendigen Lebensstils auch dringend nötig war.
Im Theater an der Wien fanden drei umjubelte Konzerte statt, erstmals mit Ausschnitten aus dem "Ring". Am 26. Dezember 1862 dirigierte Wagner das erste Konzert, bei dem Pogners Ansprache aus den "Meistersingern in Nürnberg", die Versammlung der Meistersinger und der Walkürenritt im Orchestersatz ihre Uraufführung erlebten. Als Wagner auf die Bühne heraustrat, brach ein ungeheurer Beifall los, der minutenlang andauerte. Nicht geringere Ovationen erntete er nach dem Walkürenritt. Beim dritten Konzert am 11. Januar 1863 wurde statt der nicht so erfolgreichen "Rheingold"-Stücke die Faust-Ouvertüre gespielt. Man zählte mehrere da capos und 23 Hervorrufe, nur waren die Verluste so beträchtlich, daß die Wiener Aristokratie zur Deckung der Unkosten sammeln musste. Wagner hatte extra eine Schallwand errichten lassen, um eine bessere Wirkung zu erzielen, stürzte sich dadurch aber nur in noch tiefere Schulden. Vermutlich waren es Erlebnisse solcher Art, die Wagner jedesmal über seine wirkliche missliche Lage hinwegtäuschten. Zum letzten Konzert erschien sogar die Kaiserin Elisabeth, die sich applaudierend aus der Loge beugte. Mit ergeben ausgebreiteten Armen dankte Wagner für diese Huldigung. Die Kritik verhielt sich jedoch merkwürdig unempfindlich gegenüber dem Publikumserfolg. Eduard Hanslick, der das Meistersinger-Vorspiel stets für die Nürnberger Wolfsschlucht ausgab, meinte, es schließe mit einem Instrumentallärm, der mit dem Untergang von Pompeji mehr Verwandtschaft habe als mit der Sängerzunft.
Am 12. Mai 1863 bezog Wagner eine neue Wohnung in Penzing nahe Schloß Schönbrunn. Der Eigentümer des Hauses, Baron Rackowitz, vermietete ihm mehrere Räume im ersten Stock, die Wagner mit zahlreichem Personal, kostspieligen Einrichtungsgegenständen und wertvollen Teppichen ausstattete. Die Wohnung umfasste ein Wohn-, ein Musikzimmer, ein Esszimmer und ein Schlafzimmer. Wagner ließ sich sein neues Heim – natürlich auf Schulden - so repräsentativ einrichten, dass Freunde vermuteten, Wagner habe die Absicht, jahrelang hier zu wohnen. Der Hausmeister Franz Mrazek und dessen Frau Anna wurden Wagner bald unentbehrlich; noch in Bayreuth hatte Wagner Kontakt zu seinem treuen Diener.
Die Feier seines 50. Geburtstags im Mai feierte er im Hause Standhartner Am 27. Dezember 1863 dirigierte Wagner ein Konzert im Redoutensaal in der Hofburg, Solist war der berühmte polnische Pianist böhmischer Herkunft, Karl Tausig, den Wagner über Empfehlung von Franz Liszt kennen gelernt hatte. Der schon mit dreißig Jahren an Typhus verstorbene Tausig zählte zum engsten Vertrautenkreis Wagners. Silvester 1863 feierte Wagner noch mit seinen Freunden Standhartner und Peter Cornelius. Jedoch das aufwendige Leben im Penzinger Heim hatte sich gerächt und um der Schuldhaft zu entgehen, musste Wagner am 23. März 1864 Wien fluchtartig verlassen. "Ein gutes, wahrhaft hilfreiches Wunder muss mir jetzt begegnen, sonst ist's aus!", schrieb er an Cornelius wenige Tage nach seiner überstürzten Abreise.
Dieses Wunder sollte sich in der Person des Bayerkönigs Ludwig II. einstellen.
1863-1864 Die Jahre in Penzing
Im Frühjahr 1863 kam Wagner zu seinem vierten und insgesamt längsten Aufenthalt nach Wien, bei dem jenes Werk entstand, das im Zusammenhang mit seiner Entstehung die größte Beziehung zu Wien hat: "Die Meistersinger von Nürnberg". Peter Cornelius, sein getreuer Gefolgsmann, beschaffte Wagner aus der Wiener Hofbibliothek Jakob Grimms Schriften über den Meistergesang und wurde auch zum eifrigen Kopisten der Partituren.
Am 12. Mai 1863 bezog Wagner eine neue Wohnung in Penzing (14, Hadikgasse 72). Der Eigentümer des Hauses, Baron Rackowitz, vermietete ihm mehrere Räume im ersten Stock, die Wagner mit zahlreichem Personal, kostspieligen Einrichtungsgegenständen und wertvollen Teppichen ausstattete. Die Wohnung umfasste ein Wohn-, ein Musikzimmer, ein Esszimmer und ein Schlafzimmer. Wagner ließ sich sein neues Heim – natürlich auf Schulden - so repräsentativ einrichten, dass Freunde vermuteten, Wagner habe die Absicht, jahrelang hier zu wohnen. Der Hausmeister Franz Mrazek und dessen Frau Anna wurden Wagner bald unentbehrlich; noch in Bayreuth hatte Wagner Kontakt zu seinem treuen Diener.
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Wagner (1862) |
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Wagner Villa |
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Gedenktafel |
Weder für "Tristan" noch für die im Entstehen begriffenen "Meistersinger" zeichnete sich aber die Chance einer Aufführung in Wien ab. Wagner versuchte durch das Dirigieren von Konzerten Geld zu verdienen, was angesichts seines aufwendigen Lebensstils auch dringend nötig war. Er dirigierte Konzerte im Theater an der Wien, wo er zum ersten mal in Wien ein Dirigentenpult betreten hatte.
26. Dezember 1862 dirigierte Wagner ein Konzert im Theater an der Wien, bei dem Pogners Ansprache aus den "Meistersingern in Nürnberg", die Versammlung der Meistersinger und der Walkürenritt im Orchestersatz ihre Uraufführung erlebten. Als Wagner auf die Bühne heraustrat, brach ein ungeheurer Beifall los, der minutenlang andauerte. Zum Konzert erschien sogar die Kaiserin Elisabeth, die sich applaudierend aus der Loge beugte – wann ward das je erlebt! Mit ergeben ausgebreiteten Armen dankte Wagner für diese Huldigung. Nicht geringere Ovationen erntete er nach dem Walkürenritt. Vermutlich waren es Erlebnisse solcher Art, die Wagner jedesmal über seine wirkliche missliche Lage hinwegtäuschten.
Am 27. Dezember 1863 dirigierte Wagner ein Konzert im Redoutensaal in der Hofburg, Solist war der berühmte polnische Pianist böhmischer Herkunft, Karl Tausig, den Wagner über Empfehlung von Franz Liszt kennen gelernt hatte. Der schon mit dreißig Jahren an Typhus verstorbene Tausig zählte zum engsten Vertrautenkreis Wagners.
Feier des 50. Geburtstags im Hause Standhartner. Silvester 1863 feierte Wagner noch mit seinen Freunden Standhartner und Peter Cornelius.
Beim dritten Konzert am 11. Januar 1864 wurde auch die Faust-Ouvertüre gespielt. Man zählte mehrere da capos und 23 Hervorrufe, nur waren die Verluste, die er durch reichliche Bewirtung der Musiker vermehrte, so beträchtlich, daß die Wiener Aristokratie zur Deckung der Unkosten sammeln mußte. Die Kritik verhielt sich merkwürdig unempfindlich gegenüber dem Publikumserfolg. Hanslick, der das Meistersinger-Vorspiel stets für die Nürnberger Wolfsschlucht ausgab, meinte, es schließe mit einem Instrumentallärm, der mit dem Untergang von Pompeji mehr Verwandtschaft habe als mit der Sängerzunft. Friedrich Hebbel wußte in einem Zeitschriften-Aufsatz nicht zu sagen, »ob diese Musik mehr die Seele ergreift oder das Rückenmark schüttelt«. Daß Hebbel unbeeindruckt geblieben wäre, kann man nicht sagen, schrieb er doch, man wundre sich im Konzert, »daß man beim letzten Takt- strich nicht samt dem Komponisten und dem ganzen Theater in die Luft fliegt«.
Jedoch das aufwendige Leben im Penzinger Heim hatte sich gerächt und um der Schuldhaft zu entgehen, musste Wagner am 23. März 1864 Wien fluchtartig verlassen. "Ein gutes, wahrhaft hilfreiches Wunder muss mir jetzt begegnen, sonst ist's aus!", schrieb er an Cornelius wenige Tage nach seiner überstürzten Abreise. Dieses Wunder sollte sich bald in der Person des Bayerkönigs Ludwig II. einstellen.
Die Flucht bedeutete für Wagner zweifellos einen Trennstrich zu Wien. Er besuchte Wien noch mehrmals – so kam er 1864 für einige Tage hierher, um die endgültige Bereinigung seiner Schuldfrage zu regeln (die neue Situation in München sollte ihn bald seiner materiellen Sorgen befreien, erst aus der Ferne konnte Wagner allmählich die Tilgung seiner Schulden über Kontaktpersonen regeln) – zu längeren Aufenthalten in Österreich sollte es jedoch nicht mehr kommen.
Wagners Werk setzt sich durch
Wagner hatte in jener Zeit durch Heinrich Esser seinen wohl treuesten Vasallen kennen gelernt, den Dirigenten Hans Richter (1843-1916). Richter, einer der großen Dirigenten seiner Zeit, war Kapellmeister der Hofoper, Dirigent der Wiener Philharmoniker und wurde einer der Hauptdirigenten der Bayreuther Festspiele. Als überzeugter Anhänger Wagners gelang ihm eine machtvolle Interpretation der Werke seines Idols. Gemeinsam mit Franz Jauner war Richter im Jahr 1875 am gleichen Tag ins Opernhaus am Ring als Kapellmeister eingezogen. Die vielleicht tiefste Verehrung wurde Wagner von einem anderen Großen der Musikgeschichte entgegengebracht - von Anton Bruckner! Bruckner‚ der Wagner auch persönlich kannte, widmete dem von ihm verehrten Meister seine 3. Symphonie.
In diesen Jahren vollzog sich im Privatleben Wagners ein großer Wandel. Cosima Bülow, die Tochter von Franz Liszt, trennte sich von ihrem Gatten, dem Dirigenten Hans von Bülow (1830–1894). Schon mit 16 Jahren hatte Bülow Wagner kennen gelernt und war rasch zu dessen Jünger geworden. Obwohl er die Bindung Cosimas an Wagner (Wagner und Cosima wurden am 25. August 1870 in Luzern getraut) nie verwunden hat, blieb er in künstlerischer Hinsicht dem Komponisten treu. Bülow‚ den viele als den ersten Dirigenten modernen Stils bezeichnen, wurde später auch der erste Förderer von Richard Strauss.
Im Zusammenhang mit der Wiener Erstaufführung von "Die Meistersinger von Nürnberg" (1870) müssen wir eines anderen großen Dirigenten gedenken, der sich um das Wagner–Werk verdient gemacht hatte: Johann Herbeck (1831-4877). Herbeck war dem Wagner-Kreis schon frühzeitig nahe gekommen, durch seine Tätigkeit an der Wiener Hofoper (1870–1875 deren Direktor) übte er Einfluß auf das Musikleben Wiens aus. Anlässlich der Wiener Aufführung der "Meistersinger" gab es, wie bei anderen Wagner-Werken auch, heftige Pro- und Contra-Meinungen der keineswegs einheitlichen Kritiker. Die Sänger Gustav Walter und Bertha Ehnn waren die Interpreten der Aufführung. Ein großer Wagnersänger reifte in jenen Jahren in dem jungen Theodor Reichmann (1849-1903) heran; er wurde 1888/89 von Wagners Witwe zur Verkörperung des Hans Sachs nach Bayreuth berufen.
Jedoch nicht nur Sänger und Dirigenten halfen mit, die Musik Wagners ihrer Zeit nahe zu bringen. Allmählich bildeten sich in etlichen Städten so genannte "Wagner-Vereine", welche sich zum Ziele setzten, Wagner und seiner Kunst zu dienen. Auch in Wien war ein derartiger Verein entstanden, an seiner Spitze stand Dr. Theodor Kafka.
Die späten Besuche in Wien
Die letzten Aufenthalte Wagners in Wien fallen in die Jahre 1872, 1875 und 1876.
Im Mai 1872 weilte Wagner wieder in Wien. Auch diesmal war er wieder Gast von Dr. Standhartner. Allerdings lebte die Familie Standhartner nicht mehr in ihrer Wohnung in der Singerstraße, sondern bewohnte eine Dienstwohnung im Allgemeinen Krankenhaus (9, Garnisongasse 3), von der sie einen Teil Wagner zur Verfügung stellte. Vertreter des Wagner-Vereins, Herbeck und viele andere Freunde bereiteten dem verehrten Meister einen triumphalen Empfang. Wagner wohnte einer "Rienzi"-Aufführung bei, war jedoch von den Leistungen der Sänger nicht angetan. Ein vom Komponisten persönlich geleitetes Konzert im Musikvereinsgebäude am 12. Mai 1872 wurde zu einem großen Erfolg. Nur zehn Tage danach sollte ein Traum Wagners wahr werden: in Bayreuth fand die Grundsteinlegung zum Festspielhaus statt!
Zu dieser Zeit bekam Wagner mit dem Wiener Maler Josef Hoffmann (1831–1904) Kontakt. Wagner interessierte sich für Hofmann, der etliche Bühnendekorationen für die Wiener Oper geschaffen hatte, im Hinblick auf die Ausgestaltung seines Bayreuther "Ring".
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Rheingold |
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Meistersinger |
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Tristan und Isolde |
Neue Kontakte und persönliche Beziehungen knüpfte Wagner, als er im Jahr 1875 zweimal die Donaumetropole besuchte. Er verkehrte mit dem Maler Hans Makart, dem Architekten Gottfried Semper, aber auch mit Bruckner und mit Sängern wie Amalie Materna und Emil Scaria. Auch bei diesen Wien-Besuchen dirigierte Wagner Konzerte im Musikverein.
Als er im November 1875 nach Wien kam, residierte er im Hotel Imperial (1, Kärntner Ring 16), in Opernnähe; die Wahl des Quartiers wurde manchenorts kritisiert, erst als man erfuhr, dass es nicht "antike Gastfreundschaft" der Hofoper war, die ihm zu diesem noblen Quartier verhalf, sondern Wagner die Kosten selbst beglich, beruhigten sich die Wiener Gemüter. Bei den Aufführungen, die Wagner in Wien miterlebte, lobte er immer wieder die Leistungen des Oper-Chores.
Als Dank dirigierte Wagner am 2. März 1876 - er war wieder in Wien - ein erstes und letztes Mal in der Oper seinen "Lohengrin" zum Benefiz des Chores. Wieder wohnte er im Hotel Imperial, blieb aber auch dieses Mal nur kurz. Bei diesem letzten Wien-Besuch lernte Wagner den jungen Hugo Wolf kennen, der Wagner tief verehrte. Als er sich 1876 am Westbahnhof verabschiedete und ihm sein geliebter Chor ein Ständchen brachte, war es ein Abschied für immer
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Hotel Imperial |
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Lohengrin Programm |
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Hofoper |
Nachruhm
Zweifellos ist Wagner einer der umstrittensten Komponisten der Musikgeschichte, für seine Anhänger gilt aber wohl der Satz von Marcel Prawy: "Wagner wurde am 22. Mai 1813 geboren und ist nie gestorben!"
Auf dem Weg zu Wagners Popularität sind sicher die Wiener "Ring-Aufführungen von großer Bedeutung. Da man sich von der "Walküre" mehr Anziehungskraft erhoffte, begann man den Zyklus am 5. März 1877 mit ihr (unter Mitwirkung von Berta Ehnn, Amalie Materna und Emil Scaria). Erst am 24. Jänner 1878 folgte das "Rheingold", am 9. November der "Siegfried", die "Götterdämmerung" folgte am 14. Februar 1879. Erst am 26., 27., 28. und 30. Mai 1879 erlebte Wien die erste Aufführung des "Ring" in der richtigen Reihenfolge (Rheingold - Walküre - Siegfried - Götterdämmerung).
Von korrekten Aufführungen kann man sicher nicht sprechen. Streichungen, verstümmelte Aufführungen, überforderte Darsteller waren an der Tagesordnung. Dennoch konnte niemand, auch nicht die bösartigste Kritik eines Eduard Hanslick oder Ludwig Speidel, den Siegeszug Wagners aufhalten. Beigetragen zu diesem Siegeszug haben große Sänger wie Hermann Winkelmann, Theodor Reichmann, Erik Schmedes, Richard Mayr, Leo Slezak, Rosa Papier oder Anna Bahr-Mildenburg. |