Malwida von Meysenbug
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Malwida von Meysenbug |
Schriftstellerin
* 28. Oktober 1818, Kassel / † 26. April 1903, Rom
Malwida von Meysenbug, Tochter eines hessischen Hofbeamten, wuchs in Detmold auf, wohin ihre Familie wegen politischer Unruhen gezogen war. Hier lernte sie den Schriftsteller und Theologen Theodor Althaus kennen, der sie mit den politischen Ideen des Vormärz vertraut machte. Meysenbug befasste sich mit der Philosophie der Junghegelianer und setzte sich für die Frauenemanzipation ein. Sie unterstützte die Märzrevolution von 1848, was sie endgültig in Widerspruch zu ihrer eher reaktionären Familie brachte, und war Zuschauerin des Vorparlaments in der Frankfurter Paulskirche. Nach dem frühen Tod von Althaus ging sie, auch um einer drohenden Verhaftung zu entgehen, 1852 ins Exil nach London, wo sie in den Kreisen der emigrierten Revolutionäre verkehrte. Hier lernte sie den russischen Schriftsteller Alexander Herzen kennen, dessen Tochter Olga fortan in ihrem Haushalt lebte.
Tief beeindruckt von Richard Wagners Zürcher Kunstschriften („Die Kunst und die Revolution“, „Das Kunstwerk der Zukunft“, „Oper und Drama“) nahm Malwida von Meysenbug 1852 zunächst brieflich Kontakt zu ihm in Zürich auf. Bühnenwerke und Musik Wagners waren ihr zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Lediglich das Textbuch zu „Tannhäuser“ hatte sie gelesen.
Nach einem Konzert Wagners in London 1855 kam es zum ersten persönlichen Treffen. Wagner verwies sie bei dieser Gelegenheit auf die Philosophie Arthur Schopenhauers: „In dem folgenden Gespräch traf mich mit besonderer Macht der Ausdruck ‚Die Verneinung des Willens’, welchen Satz Wagner für das Endresultat der Schopenhauerschen Weltanschauung erklärte. Gewohnt, den Willen als die Kraft der sittlichen Selbstbestimmung anzusehen - obgleich ich nie ganz in meinem Denken den Widerspruch zwischen dessen offenbarem Gebundensein und seiner vom christlichen Dogma erklärten Freiheit hätte lösen können -, war mir dieser Satz, als höchste ethische Aufgabe der Menschheit, ganz unverständlich. Hatte ich doch gerade die Richtung des Willens auf unausgesetzte sittliche Vervollkommnung und Tat als das letzte Ziel des Daseins angesehen. Doch klang dieser Satz in mir nach wie ein Ewas, vom ich ich nicht als Rätsel stehen bleiben dürfe und dessen Verständnis in mir vorbereitet liege...“ Nach der Lektüre von Schopenhauers „Die Welt als Wille und Vorstellung“, das ihr von Wagner empfohlen wurde, distanzierte sich Meysenbug zunehmend von ihren bisherigen politischen Idealen.
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Malwida von Meysenbug
in jungen Jahren |
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Malwida von Meysenbug im Alter |
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Arthur Schopenhauer |
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Die Welt als Wille und Vorstellung |
Seit 1860 lebte sie zusammen mit Olga Herzen in Paris. Hier war sie 1861 Zeugin des „Tannhäuser“-Skandals. Sie besuchte alle Aufführungen in der Grand Opera: die erste vollständige Orchesterprobe, die öffentliche Generalprobe und die Aufführungen am 13. März, 18. März und 24. März 1861. Einen ausführlichen Bericht der Ereignisse hat sie später in ihren Memoiren „Ein Leben für die Anderen“ veröffentlicht.
> Lesen Sie Meysenbugs Bericht über den Tannhäuser-Slandal 1861 in Paris
Mit Wagner verband sie seitdem eine lebenslange enge Freundschaft, sie wurde dessen vertrauteste Freundin neben Marie von Schleinitz. 1870 war sie sogar Trauzeugin bei dessen Hochzeit mit Cosima in der Matthäuskirche in Luzern. Meysenbug unterstützte die Errichtung des Bayreuther Festspielhauses und engagierte sich für die Gründung der Wagner-Vereine. Sie war regelmäßiger Gast in Bayreuth, besuchte die Eröffnung des Festspielhauses 1876 und entwarf im Anschluss den Plan, im ganzen Deutschen Reich Theater nach dem Modell Bayreuths zu errichten.
Hier sollten herausragende Musteraufführungen bei sehr niedrigen Eintritt gezeigt werden: „Und wie befestigte sich mein lang gehegter Gedanke, daß das Theater zu einem der edelsten Kulturmittel für das Volk werden müßte, statt daß es heutzutage beinahe ein Mittel der Korruption geworden ist. Theaterbauten, dem zu Bayreuth ähnlich, sollten sich an verschiedenen Orten Deutschlands erheben, das Geld fände sich schon, wenn man ernstlich wollte. Warum findet es sich nicht zum Beispiel für die vielen, neuen, unnützen Kirchen, die man baut, oder für die ungeheuren Militärausgaben in Friedenszeit? Ebenso wie für das Musikdrama müßte für das rezitierende Drama gesorgt werden; höchstens zweimal im Jahr vollendete Aufführungen der edelsten Meisterwerke, und zwar mit so billigen Preisen, daß auch die Unbegütersten daran teilnehmen und durch den Einfluß hoher Kunst zur Gesittung geführt werden könnten. Das wären Kulturaufgaben für die Regierungen, die besser wirken würden gegen Roheit und Verbrechen als Gefängnisse und Zuchthäuser".
Anlässlich der Grundsteinlegung für das Bayreuther Festspielhaus lernte Malwida von Meysenbug 1872 Friedrich Nietzsche kennen und führte eine regelmäßige Korrespondenz mit ihm. 1876 mietete Meysenbug in Sorrent bei Neapel die Villa Rubinnacci, wo sie zusammen mit Nietzsche und zwei seiner Schüler den Winter verbrachte. Da sowohl Meysenbug wie auch Nietzsche wegen ihrer Augenleiden nicht mehr Lesen konnten, dienten die Begleiter Nietzsches beiden als Vorleser. Auch Wagner und Cosima trafen im Oktober in Sorrent ein und lebten in unmittelbarer Nähe im Hotel Vittoria. Am 2. November 1876 kam es hier zum letzten Zusammentreffen von Wagner und Nietzsche. Nach einem Bericht von Elisabeth Förster-Nietzsche berichtete Wagner während eines abendlichen Spaziergangs über den Klippen des Golf von Neapel von seinem religiös-christlichen Grunderlebnis, das ihn zur Arbeit an „Parsifal“ inspiriert habe. Nietzsche habe sich daraufhin, von Wagners plötzlichem Bekenntnis zum Christentum enttäuscht, abgewandt und sei in der Dunkelheit verschwunden. Wenige Tage später reisten Wagner und Cosima ab, während Meysenbug und Nietzsche bis Mai 1877 in Sorrent blieben.
Lesen Sie die Abschiedsszene in Sorrent von Elisabeth Förster-Nietzsche.
Die letzten Lebenslebensjahre verbracht Malwida von Meysenbug in Italien. 1891 reiste sie zum letzten Mal zu den Bayreuther Festspielen, wo sie Aufführungen von „Tannhäuser“, „Parsifal“ und „Tristan und Isolde“ besuchte.
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Wolfram hält Tannhäuser davor zurück, sich in die ausgestreckten Arme von Venus zu stürzen, während Elisabeth für seine Seele betet. Undatierte Gouache von Franz Stassen. |
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Von zentraler Bedeutung blieb für von Meysenbug jedoch allein Wagners „Tannhäuser“: „Mit der Fülle der Erinnerungen zugleich fesselte mich diesmal ganz besonders der ´Tannhäuser´, dieses herrliche Werk, dessen tiefe poetische und musikalische Bedeutung mir, nach langer Pause, erst recht aufging. Die Gestalt des wunderbaren Sängers ist gewiß eine der tragischten der Gestalten der Poesie, und wie konnte sie höher idealisiert werden als durch Musik, in welcher die zwei Gestalten, die sich um die Seele streiten, so wundervoll charakterisiert sind. Es fiel mir dabei auch auf, wie merkwürdig geistvoll hier die Legende den Gedanken der Zeit aufgefaßt und damit allezeit Gültiges ausgesprochen hat: die furchtbare Härte und Mitleidlosigkeit der konstituierenden Kirche (wofür ja auch Dante sie in ihren Vertretern dem Inferno übergibt) gegenüber der allein erlösenden, wahrhaftigen, reinen Liebe.“ |